Wie erhalten Kinder Pflegeleistungen?
Bei Kindern ist für die Zuordnung zu einer Pflegestufe der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Die damit bestehenden Besonderheiten über die Bemessung des Pflegebedarfs müssen also bei der Beantragung auf Pflegeleistungen für Kinder berücksichtigt werden. Aufgrund dieser speziellen Voraussetzungen werden bei Kindern die Pflegebedürftigkeit regelmäßig (meist jährlich) überprüft, um hier auch die Entwicklung des Kindes angemessen berücksichtigen zu können.
Was bedeutet „altersbedingter Hilfebedarf“?
Im Gegensatz zu den Erwachsenen muss bei Kindern ein „natürlicher altersbedingter Hilfebedarf“ von dem ermittelten Pflegeaufwand abgezogen werden, sonst würde jedes Kind, was einen natürlichen Hilfebedarf benötigt ein Pflegefall sein. Besonders Kleinstkinder benötigen ja viel natürlichen Hilfebedarf. Mit steigendem Alter reduziert sich der alterstypische Hilfebedarf. Maßgebend für die Beurteilung des Hilfebedarfs ist also nicht der „natürliche altersbedingte Hilfebedarf“, sondern nur der darüber hinausgehende Pflegeaufwand (wird also von dem ermittelten Bedarf abgezogen). Aufgrund des veränderten natürlichen Hilfebedarfs je erreichtem Alter, gibt es zur Orientierung feste Werte in den Altersstufen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Urteil vom 15.03.2012 entschieden, dass bei der Berechnung der Abzugswerte für den normalen Grundpflegebedarf bei Kindern (§ 15 Abs. 2 SGB XI) ein Mittelwert aus dem in der jeweiligen Altersgruppe genannten höchsten und niedrigste Rahmenwert zu bilden ist.
Richtlinien, Werte bzw. Tabelle zur Ermittlung des Hilfebedarfs für Kinder
Alter in Jahren | 0-0,5 | 0,5-1 | 1-1,5 | 1,5-2 | 2-3 | 3-4 | 4-5 | 5-6 | 6-7 | 7-8 | 8-9 | 9-10 |
Abzug in Minuten | 236 | 226 | 219 | 196 | 159 | 115 | 70 | 44 | 28 | 16 | 8 | 3 |
Quelle: Bundessozialgericht vom 15.03.2012, AZ: B 3 p 1/11R
Link Urteil:
Presse-Mitteilung Nr. 14/12 vom 11.4.2012:
Hinweis:
Das BSG erklärt, dass mit den am 01.09.2006 in Kraft getretenen „neuen“ Richtlinien dies nicht einer entsprechenden Logik entspricht und somit in der Vergangenheit zu Unrecht praktiziert wurde. Somit gilt das Urteil rückwirkend ab dem 01.09.2006.
Alter in Jahren | 0-0,5 | 0,5-1 | 1-1,5 | 1,5-2 | 2-3 | 3-4 | 4-5 | 5-6 | 6-7 | 7-8 | 8-9 | 9-10 |
Abzug in Minuten | 242-229 | 229-222 | 222-216 | 216-175 | 175-142 | 142-88 | 88-52 | 52-35 | 35-21 | 21-10 | 10-6 | 6-0 |
Alte Tabelle und wurde rückwirkend ersetzt durch das Urteil vom Bundessozialgericht vom 15.03.2012, AZ: B 3 p 1/11R.
Beispiel einer Berechnung: laut Tabelle "ab 09.2006"
Alter des Kindes: | 1 Jahr | 7 Jahre |
Pflegebedarf: | 500 Minuten | 130 Minuten |
Abzug: | 219 Minuten | 16 Minuten |
Pflegebedarf: | 281 Minuten | 114 Minuten |
Wenn jedoch für die Pflegestufe I (bis 31.12.2016) mindestens 90 Minuten erforderlich sind, könnte eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI – (Soziale Pflegeversicherung) nicht vorliegen. Umso jünger die Person ist, umso schwieriger könnte eine Anerkennung einer Pflegebedürftigkeit werden. Mit der Änderung ab 01.2017 könnte sich die Anspruchsgrundlage verbessern, da die eingeschränkte Alterskompentenz besser berücksichtigt wird (weiter unten lesen).
Besonders betroffen sind kranke und behinderte Kinder
Bei kranken oder behinderten Kindern kann der Hilfebedarf besonders groß sein, z. B. aufgrund eines Geburtsfehlers (wir hatten den Fall, das aufgrund einer ärztlichen Fehlbehandlung das Kind blind zur Welt kam), aber auch Langzeitfolgen aufgrund angeborenen Erkrankungen oder Behinderungen, die auch erst später eintreten können (z. B. durch Gendefekte), durch wesentlich höhere intensive, medizinische Behandlungen, oder aufgrund von erheblichen Allergien die eine Ernährung erschweren oder die Einschränkung der Mobilität kann den Hilfebedarf erhöhen. Da das erste Lebensjahr ist kann eine Besonderheit darstellen und besondere nachweise Verlangen. Auch bei privaten Versicherungen findet man nicht selten Einschränkungen für das erste Lebensjahr.
Eingeschränkte Alterskompetenz
Nicht nur für ältere Personen gilt, dass eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz zu einer entsprechenden Leistungsanerkennung führen kann. Liegt eine erheblich oder in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz vor, könnte es Leistungen auch im Rahmen des § 45a Abs. 2 SGB XI geben, wenn im Vergleich zu einem gleichaltrigen, altersentsprechend entwickelten gesunden Kind Abweichungen bestehen. Auch in bestimmten Fällen kann auch eine eingeschränkte Alltagskompetenz bei einem geistig schwerbehinderten Säugling vorliegen. Das sollte unbedingt bei Leistungsansprüchen mit berücksichtigt werden. Ab 01.01.2017 könnte die Durchsetzung der Ansprüche aufgrund bestehender Pflegegrade günstiger ausfallen.